„Sport ist mehr als nur Sport“
Miriam Langeleh leitet das Projekt „Förderung von E-Sport in der außersportlichen Jugendarbeit im Sportverein“ der Sportjugend NRW mit Unterstützung des Ministeriums für Kinder, Jugendliche, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI NRW). Das Projekt startete im September 2020 und läuft bis August 2023. Wegen Corona ist eine Verlängerung angestrebt.
Was ist E-Sport?
E-Sport ist ein Massenphänomen. Unglaublich viele Menschen machen E-Sport. Nach der Definition umfasst es den menschlichen Wettkampf in Computer- und Videospielen. Wie auch bei den klassischen Sportarten treten Spieler*innen oder E-Sportler*innen in einer Disziplin gegen andere an. Wenn man das professionell betreibt, muss man jahrelang trainieren und körperliche und psychische Leistung bringen.
Es wird immer noch viel darüber diskutiert, ob E-Sport Sport ist. Der Landessportbund NRW und die Sportjugend NRW haben diese Frage zwar mit nein beantwortet. Sie erkennen jedoch an, dass zahlreiche Menschen E-Sport als Sport verstehen und nehmen zudem die Selbstorganisationswünsche insbesondere junger E-Sportler*innen ernst. Also geht es jetzt darum, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Vereinsangebote zu machen.
Das Projekt mit dem barocken Titel „Förderung von E-Sport als Angebot der außersportlichen Jugendarbeit im Sportverein“ will herausfinden, wie Vereine Angebote schaffen können. Was passiert da?
Es gibt vier Projektsäulen. 1) die 20 Modellstandorte. An 20 Standorten werden die Projektvereine mit Infrastruktur versorgt, um überhaupt erst mal E-Sport anbieten zu können. Sie erhalten also PCs oder Konsolen und was an Hard- und Software nötig ist, damit die jungen Leute vor Ort spielen können und nicht zuhause.
Diese Standorte werden über die Projektlaufzeit fachlich begleitet und bei ihrer Angebotsentwicklung unterstützt.
Ein super Angebot! Damit habt Ihr bestimmt offene Türen eingerannt.
Ja und nein. Der organisierte Sport ist total gespalten, interessanterweise quer durch alle Altersgruppen. E-Sport wird sehr kontrovers diskutiert. Noch mehr durch Corona, weil während dieser Zeit der Bewegungsmangel noch einmal sichtbarer wurde.
Darum passt E-Sport scheinbar auch wenig zum klassischen Sport: Man bewegt sich schlicht nicht.
Man sollte sich aber bewegen, um ein*e gute*r E-Sportler*in zu werden. Das ist ein Aspekt, den die Vereine bei ihren Angeboten mit abdecken.
Welches sind die weiteren drei Säulen des Projektes?
Die zweite Säule ist die Qualifizierung. Das bedeutet, dass die Anleiter*innen im Bereich Medienpädagogik geschult wurden. In den Multiplikatorenschulungen ging es um Grundlagen wie Genres, Titel, Anforderunegn an Hardware, Finanzierungsansprüche. Dann um das Anleiten selbst: wie funktionieren die Spiele, wie kann man das anleiten? Es gab den Bereich Recht: Lizenzrecht, Jugendschutz, auch das Thema Aufsichtspflicht im digitalen Raum. Und natürlich den Kern der Medienpädagogik: Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, Elternarbeit, Sucht-Marker, also wie erkenne ich erste Anzeichen für Abhängigkeit.
Säule 3 ist VIBSS: das Vermitteln von Knowhow auf Vereinsmanagement-Ebene. Was müssen Vereine beachten, wenn sie E-Sport umsetzen wollen? Wie kann ich Mitglieder gewinnen, aber etwa auch Sponsoren?
Zuletzt Säule 4: das ist die wissenschaftliche Begleitung durch die FH Münster, die in einer Handlungsempfehlung münden wird.
Welche Art von Handlungsempfehlung wünscht Ihr Euch?
Die kritischen Punkte beim E-Sport sind Bewegungsmangel, Suchtgefahr, Gewaltdarstellung, Kommerzialisierungsaspekte. Alle sind richtig. Aber dem kann ein Verein einen pädagogischen und präventiven Fokus entgegenstellen. Wie dieser aussehen kann, soll in der Handlungsempfehlung festgehalten sein.
Warum ist E-Sport für Vereine relevant? Was bedeutet es für Vereine, E-Sport anzubieten?
E-Sport kann für Vereine aus unterschiedlichen Perspektiven relevant sein: Sei es, weil sie einem gesellschaftlichen Auftrag gerecht werden wollen, möglicherweise neue Zielgruppen erreichen möchten, als innovativer Akteur wahrgenommen werden wollen oder auch erste Schritte im Bereich der Digitalisierung gehen möchten. Unbestreitbar ist die lebensweltliche Relevanz digitaler Themen für Jugendliche und junge Erwachsene. E-Sport kann ein Türöffner sein, um diese in ihrer Lebenswelt zu erreichen und abzuholen.
Bevor die Vereine diesen Schritt gehen, sollten sie erste Rahmenbedingungen abklären. Dazu zählen etwa gemeinnützigkeits- und steuerrechtliche Anforderungen, vorhandene und notwendige Infrastruktur wie Räumlichkeiten oder Hardware, Anforderungen des Jugend(medien)schutzes, Finanzierungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten. Und natürlich die Ausgestaltung des Angebotes inkl. Erarbeitung eines pädagogischen Konzeptes. Das sollte die ganzheitliche Umsetzung des E-Sports vor Ort berücksichtigen und Themen wie Bewegung, Ernährung, Sucht- und Gewaltprävention aufgreifen. Hier ist Teamarbeit gefragt.