E-Sport als Sportart anerkennen?
Jens Wortmann ist gebürtiger Münsterländer und noch heute in mehreren Vereinen in seiner Heimatregion Coesfeld ehrenamtlich engagiert. Der 32-jährige war zuletzt Vorsitzender der Sportjugend NRW und ist heute zentraler Ansprechpartner rund ums Thema E-Sport beim LSB NRW. Im Interview erklärt er, wieso der E-Sport seitens des LSB nicht als Sportart anerkannt ist, was ein Klavierkonzert mit einem PC-Spiel verbindet und welche Hoffnungen Sportvereine wirklich aufs Thema E-Sport setzen sollten – und welche nicht.
In deinem Arbeitsalltag hast Du viel mit dem Thema E-Sport zu tun. Wie bist Du ursprünglich zum E-Sport gekommen?
Im Grunde aus einer Notwendigkeit heraus: Der E-Sport wurde zuletzt immer wichtiger und es wurde jemand gesucht, der für den LSB dieses Thema zentral betreut. Ich habe in meiner Jugendzeit natürlich auch selbst gerne mal am PC gezockt, aber ich bin kein professioneller E-Sportler.
Der Landessportbund hat sich bisher noch nicht dafür ausgesprochen, E-Sport als reguläre Sportart anzuerkennen. Wieso?
Zunächst mal ist der E-Sport eine vergleichsweise bewegungsarme Tätigkeit. Beim E-Sport steht eben nicht eine bestimmte motorische Leistung im Vordergrund. Zum anderen gibt es bestimmte Spiele, die mit Inhalten daherkommen, die sich nicht mit dem Wertekodex des Sports vereinbaren lassen.
Zum Thema Bewegung: Schach zählt doch auch als Sport und hat wenig mit Bewegung zu tun?
Das stimmt. Aber der Gesetzgeber hat Schach als Sport definiert und er hat als solcher Bestandsschutz. Ob Schach heute noch als Sport anerkannt würde, ist eine andere Frage...Auch andere Sportarten, Darts oder Schießen zum Beispiel, sind nicht sehr bewegungsintensiv, erfordern aber ein sehr hohes Maß an Körperbeherrschung.
Professionelle E-Sportler würden wohl dagegenhalten, dass sie sich auch für den E-Sport körperlich fithalten müssen, um den Anforderungen, auch der hohen kognitiven Anforderung, gerecht werden zu können. Was meinst Du aus Sicht des LSB dazu?
Natürlich erfordert auch E-Sport Höchstleistungen. Das tun andere Tätigkeiten aber auch – denken wir zum Beispiel an professionelle Klavierspieler. Sie bringen auch körperliche Höchstleistung, aber niemand käme auf die Idee, ein Klavierkonzert als Sport zu bezeichnen. Beim Sport geht es um Bewegung zum Selbstzweck. Das ist beim E-Sport nicht der Fall: Die Bewegung dient am Ende dem Bedienen einer Maschine. Sicher, der E-Sportler bewegt sich, aber eben nicht zum Selbstzweck der Bewegung, sondern um die entsprechende Konsole zu bedienen.
Befürworter von E-Sportangeboten in Sportvereinen argumentieren oft, dass der E-Sport neue, junge Gesichter zu den Sportvereinen bringt. Ist diese Hoffnung begründet?
Dass E-Sport grundsätzlich auch im „normalen“ Sport interessant ist, stellen wir vom LSB gar nicht in Frage. Wir machen selbst auch E-Sport Angebote und unterstützen Vereine, die E-Sport anbieten wollen. Uns ist dabei wichtig, dass das Ganze in einem entsprechenden pädagogischen Rahmen stattfindet. Die Frage, ob E-Sport nun Sport ist oder nicht, bringt uns aus meiner Sicht nicht weiter. Es gibt bisher auch keine empirischen Beweise dafür, dass E-Sportangebote reihenweise neue Mitglieder zu den Vereinen spülen. Es wird oft die Hoffnung geäußert, dass junge Menschen zum E-Sport spielen ins Vereinsheim kommen, anschließend auf den Fußballplatz gehen und quasi automatisch zu engagierten Vereinsmitgliedern werden. Das ist in der Realität nicht der Fall. E-Sport anzubieten, ist für die Vereine zunächst mal extrem ressourcenintensiv.
Wie wird das Thema E-Sport in anderen Bundesländern gehandhabt? Genauso wie in NRW, oder gibt es auch Ausreißer, die es ganz anders machen?
Ein Ausreißer ist Schleswig-Holstein. Der LSB dort lehnt den E-Sport komplett ab, aber die Landesregierung hat ein Zentrum für Digitalisierung und E-Sport geschaffen und viele Vereine machen E-Sportangebote. Auch dort ist es aber nicht so, dass die Vereine von neuen Mitgliedern überrannt würden. Es gibt natürlich in einigen Bundesländern Vereine, die in Sachen E-Sport extrem erfolgreich sind. Da sprechen wir aber von den richtig großen, investitionsstarken Vereinen, die sich eigene Räumlichkeiten für den E-Sport leisten können. Diese Schwergewichte bringen es dann auf 100, vielleicht 150 Mitglieder.
Ist der E-Sport also am Ende vielleicht doch überschätzt, ist der Hype doch nicht so groß wie angenommen?
Der E-Sport ist zwar längst mehr als ein Randphänomen, aber er ist eben in vielen Aspekten nicht mit dem Vereinsleben kompatibel. Ich mache das gerne an einem Beispiel fest: Im „normalen“ Sportverein ist es völlig akzeptiert, einen Mitgliedsbeitrag zu zahlen, zu festen Zeiten zum Training zu kommen, die Anlage zu nutzen und sich zu engagieren. Die Welt im E-Sport ist vor allem eine digitale, die Erwartung an einen Verein ist vor allem die, mit Trikots und einem entsprechenden PC ausgestattet zu werden. Das rührt vor allem daher, dass die wenigen Profis, die es als Vorbilder im E-Sport gibt, eben von Sponsoren ausgestattet werden. Wer klassisches Vereinsleben in der analogen Welt nicht kennt, kommt dann mit einer Erwartungshaltung zum Verein, die gar nicht erfüllt werden kann. E-Sport und Vereinsleben, das ist ein sehr komplexes Thema, das auch intensiv diskutiert wird.
Also sollten Sportvereine besser die Hände vom Thema E-Sport lassen?
E-Sport kann einen Verein bereichern, aber nur als neuer, zusätzlicher Baustein, der eigene Ressourcen braucht. Es ist toll, wenn Vereine neue Angebote, gerade für junge Menschen, schaffen. Dahinter sollte aber nicht die Idee stehen, so neue Mitglieder für das schon bestehende Angebot zu gewinnen. Was wirklich bemerkenswert ist: es gibt durchaus junge Menschen, die bereit sind, sich lokal im Verein in Sachen E-Sport zu engagieren, zum Beispiel als Übungsleiter, wenn der Verein die entsprechende Infrastruktur stellt. Es gibt durchaus Fälle, in denen E-Sport im Sportverein sehr gut funktioniert, aber in der Breite prallen zwischen E-Sport und Sportverein Welten aufeinander. E-Sport ist einfach etwas anderes als der „normale“ Sport im Verein, so ehrlich sollten wir alle sein.