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Recht auf Information für Vereinsmitarbeiter*innen und Mitglieder des Sportvereins im Kündigungsfall

Immer wieder kommt es im Sportverein dazu, dass Übungsleitungen, Trainer*innen von jetzt auf gleich ohne Angaben von Gründen den Verein verlassen müssen. Es heißt, das habe der Vorstand entschieden. Was bedeutet dies für alle anderen Beteiligten im Verein? In der Regel werden Aufgaben neu verteilt, Anforderungen steigen, Unruhe existiert und es besteht Unsicherheit zu dem Grund für die Trennung von Vereinsverantwortlichen. Jemand, der gerade vielleicht noch die Jugend koordiniert hat oder die Abteilungsleitung Turnen geleitet hat, ist auf einmal für alle nicht mehr Ansprechperson. Und der Vorstand schweigt. Spekulationen werden untereinander ausgetauscht zu den Fragen: Sind Gelder veruntreut worden? Geht es möglicherweise um Missbrauch?

Das die Beteiligten an ihre Grenzen führende Dilemma.

In den meisten Fällen wird es für den Verein nicht schwierig sein, sich von einer Person zu trennen, wenn ihr angelastet wird, mit ihrem Verhalten gegen Gesetze oder auch wichtige Vereinsregularien verstoßen zu haben, insbesondere wenn es um Straftaten geht. Unabhängig davon, ob die dienst- oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorliegen, dürfte sich die Möglichkeit einer Trennung - aufgrund einer Befristung entsprechender Verträge - regelmäßig schon daraus ergeben, dass der Vertrag schlichtweg ausläuft oder nicht verlängert wird. Je nach Lage der Dinge wird man sich mit der Person, deren Verhalten in Frage steht, auch darauf verständigen, zukünftig getrennte Wege zu gehen. Was bleibt, sind Fragen. Fragen von Mitarbeitenden, Mitgliedern oder auch von Außenstehenden. Warum „musste“ die Person gehen? Was hat sie gemacht? Hat sie Schäden hinterlassen? Wer sind die Geschädigten? Gehen von der Person möglicherweise weiterhin Gefahren aus? Diesen Fragen werden sich die Vereinsverantwortlichen, zuvorderst der Vorstand, ausgesetzt sehen.

Mit ihrer Beantwortung oder auch Nicht-Beantwortung betreten die Vereinsverantwortlichen dabei nicht selten ein „Minenfeld“. Sie befinden sich in einem sie je nach Lage des Falls nicht selten an ihre Grenzen führenden Dilemma. Einerseits gilt es die Persönlichkeitsrechte der Person, von der man sich getrennt hat, zu wahren, andererseits sind berechtigte Informationsansprüche, insbesondere der Mitglieder, zu erfüllen. Und möglicherweise sieht man sich auch in einer Situation, die es gebietet, andere Menschen oder Vereine zu schützen, damit diesen nicht Gleiches widerfährt.

Wie überall gilt auch im Sportverein die Unschuldsvermutung.

So schwer dies auch je nach Lage der Dinge für die Verantwortlichen des Vereins empfunden werden mag, Ausgangspunkt für die Beantwortung aller Fragen ist die Unschuldsvermutung. Danach hat der- oder diejenige, von dem man sich getrennt hat, so lange als unschuldig zu gelten, bis seine oder ihre Schuld tatsächlich nachgewiesen ist, in der Regel mithin bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Bis dahin hat in einer Kommunikation, egal ob gegenüber Vereinsmitarbeiter*innen oder Mitgliedern, grundsätzlich alles zu unterbleiben, was den Eindruck erwecken könnte, dass er oder sie tatsächlich eine Straftat begangen habe. Andernfalls drohen den Mitteilenden äußerungsrechtliche Konsequenzen, sei es in Form von Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen, denen sie sich ausgesetzt sehen oder gar auch strafrechtliche Folgen, z.B. wegen übler Nachrede. Zwar gilt stets die Meinungsfreiheit, jedoch ist zu beachten, dass der Übergang zwischen einer bloßen Meinung und einer Tatsachenbehauptung, die die genannten Ansprüche auslösen kann, je nach dem konkreten Kontext der Äußerung nicht selten fließend ist. Hier ist also Vorsicht geboten, will man den genannten Konsequenzen entgehen.

Wie steht es mit der Transparenz?

Transparenz hat in allen Vereinen einen sehr hohen Stellenwert. Die Zeiten, in denen ein Vorstand sein Wissen nicht selten - aus welchen Gründen auch immer - für sich behielt oder nur teilweise preisgab, sind vorbei. Transparenz ist Voraussetzung für Meinungs- und Willensbildung und kann ganz wesentlich zur Akzeptanz von Entscheidungen sowohl bei den Mitarbeiter*innen wie auch bei den Mitgliedern beitragen. Jedoch stößt sie dort an ihre Grenzen, wo es gilt die Rechte der Menschen zu beachten und zu wahren, die im Zusammenhang mit den Vorgängen stehen, die zur Trennung geführt haben. Das betrifft nicht nur die Person, bei der - wie dargelegt - die Unschuldsvermutung zu beachten ist, sondern insbesondere auch Geschädigte bzw. Opfer. Ihr Persönlichkeitsrecht gebietet einen ganz besonderen Schutz. Sofern und soweit sie nicht damit einverstanden sind, ist in der Kommunikation grundsätzlich alles zu vermeiden, was ihre Identität offenbaren könnte.

Müssen Straftaten zur Anzeige gebracht werden?

Werden dem Verein bzw. seinen Verantwortlichen Sachverhalte bekannt, die den Tatbestand einer Straftat erfüllen, wird regelmäßig die Frage zu beantworten sein, ob dieser Sachverhalt zur Anzeige gebracht wird. Dabei gilt es zunächst festzuhalten, dass für niemanden, mithin auch für den Verein, eine Pflicht besteht, begangene Straftaten gegenüber den zuständigen Behörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) anzuzeigen.

Eine andere Frage ist es, ob es möglicherweise jedoch zweckmäßig oder gar geboten ist, eine solche Anzeige zu erstatten. Hierbei gilt es zum einen zu berücksichtigen, dass die Anzeige einer Straftat gegebenenfalls zu einer Strafsanktion führt und damit möglicherweise auch Dritte davor geschützt werden, dass ihnen Gleiches oder Ähnliches widerfährt. Zum anderen ist in die Erwägungen einzubeziehen, dass die Ermittlungsbehörden über ungleich andere Möglichkeiten verfügen, den Sachverhalt aufzuklären, als dies bei eigenen „privaten“ Ermittlungen der Fall ist. Und schließlich gilt es auch zu beachten, dass eine Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz, wesentlich erleichtert ist, wenn es zuvor zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist.

Fragen der Mitglieder - Was muss oder darf der Vorstand mitteilen?

Unabhängig davon, ob und inwieweit der Vorstand seine Mitglieder proaktiv über die in Rede stehenden Geschehnisse informiert, wobei es stets die zuvor aufgezeigten Grenzen zu beachten gilt, wird er nicht selten auch vor dem Problem stehen, darüber entscheiden zu müssen, ob er verpflichtet ist, Fragen zu beantworten, die ihm dazu aus dem Kreis der Mitglieder gestellt werden.

Hierbei ist zu unterscheiden, ob solche Fragen durch einzelne Mitglieder oder durch die Mitgliederversammlung gestellt werden. Im Verein steht der Mitgliederversammlung als solcher ein umfassendes Informationsrecht gegenüber dem Vorstand zu. Es erstreckt sich auf alle Sachverhalte in Bezug auf den Verein. Hinsichtlich dieser hat der Vorstand zu informieren, soweit die Mitgliederversammlung aufgrund eines entsprechenden Beschlusses dies verlangt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Sachverhalt Gegenstand der Tagesordnung ist oder nicht. Ein Verweigerungsgrund besteht jedoch dann, wenn sich der Vorstand durch die Erteilung der Information strafbar machen würde. Entsprechendes wird regelmäßig aber auch dann zu gelten haben, wenn durch die Informationserteilung widerrechtlich in Rechte Dritter eingegriffen würde. Hier gilt es gegebenenfalls die widerstreitenden Interessen, einerseits des Informationsrechts der Mitgliederversammlung und andererseits der betroffenen Personen, sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Informationsrecht der Mitgliederversammlung

Im Gegensatz zum Informationsrecht der Mitgliederversammlung - als solcher - gibt es im Vereinsrecht keine gesetzliche Grundlage für individuelle Informationsrechte des einzelnen Mitglieds in der Mitgliederversammlung. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass auch dem einzelnen Mitglied ein solcher Anspruch auf Information in der Mitgliederversammlung zustehen kann, soweit dies zur ordnungsgemäßen Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte erforderlich sind. Dies kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass das Mitglied bestimmte Maßnahmen zur Beschlussfassung stellen möchte, wofür es zuvor eine entsprechende Information benötigt. In der Mitgliederversammlung kann das Vereinsmitglied daher Auskunft über alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins verlangen. Die Beantwortung entsprechender Fragen kann und muss der Vorstand jedoch verweigern, soweit die Erteilung der entsprechenden Information geeignet ist, dem Verein einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Dies gilt jedoch nur bei Fragen eines einzelnen Mitglieds und nicht auch bei einem Informationsverlangen der Mitgliederversammlung - als solcher - auf Grundlage eines durch sie gefassten Beschlusses.

Informationspflichten des Vorstands

Vorstehendem entsprechend liegt der Fokus hinsichtlich etwaiger Informationspflichten des Vorstands regelmäßig auf der Mitgliederversammlung. Nicht ganz unumstritten ist, ob das einzelne Vereinsmitglied daneben das Recht hat, auch außerhalb der Mitgliederversammlung Informationen durch den Vorstand zu erhalten, wenn dies zur ordnungsgemäßen Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich ist. In engen Grenzen ist dies zu bejahen. So ist anerkannt, dass das Mitglied ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Schriften des Vereins hat, soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann und kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder der anderen Mitglieder dem entgegensteht. Auch insoweit wird der Vorstand im konkreten Fall dann die entsprechenden Interessen sorgsam gegeneinander abzuwägen haben. So kann beispielsweise - sofern zutreffend - die Information, dass durch die zuständigen Behörden ermittelt wird, durchaus zulässig sein, die Preisgabe von Details sich aber als äußerst problematisch darstellen.  

Was ist, wenn Gefahr drohen könnte? Wenn der/die Gekündigte in einem anderen Verein seine/ihre Tätigkeit aufnimmt?

Besonders problematisch stellt sich die Situation für den Verein und insbesondere seinen Vorstand dar, wenn er sieht, dass die Person, von der man sich getrennt hat, wenig später in gleicher oder ähnlicher Funktion für einen anderen Verein tätig ist. Regelmäßig wird hier die Sorge bestehen, dass er oder sie dort das gleiche Verhalten an den Tag legt, wie es zuvor Anlass für die Kündigung oder sonstige Beendigung der Zusammenarbeit gegeben hat.

Dabei gilt es zunächst festzuhalten, dass nicht nur derjenige, der die Begehung einer Straftat befürchtet, sondern sogar derjenige, der von einer geplanten Straftat erfährt, grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, die Polizei oder Staatsanwaltschaft darüber zu informieren. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur bei schwersten Verbrechen, wie sie in § 138 StGB aufgezählt sind und wozu u.a. Mord und Totschlag, nicht aber beispielsweise Missbrauchsdelikte oder Betrug und Untreue, gehören. Hier macht sich derjenige, der solche Straftaten nicht zur Anzeige bringt, selbst strafbar. Eine Pflicht zur Information besteht mithin nur höchst selten.

Damit verbleibt die Frage, ob und inwieweit der Verein den anderen Verein über das informieren darf, was ihn dazu bewogen hat, sich beispielweise von der Übungsleitung oder dem/der Trainer*in zu trennen. Hierbei gilt der Grundsatz, dass die Wahrheit auszusprechen, niemanden verboten werden kann. Ausnahmen bestehen insoweit lediglich in Bereichen, die der Privat- oder gar Intimsphäre zuzurechnen sind. Dennoch ist eine solche Information in der Praxis nicht unproblematisch. Zum einen gilt es stets die bereits angesprochene Unschuldsvermutung zu wahren. Zum anderen, und das macht die Sache besonders problematisch, ist zu beachten, dass derjenige, der in Bezug auf eine andere Person eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die dazu geeignet ist, diese andere Person zu diskreditieren, die Beweislast dafür trägt, dass die durch ihn mitgeteilten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. Die äußernde Person musss mithin das, was sie sagt, auch beweisen können. Kann dieser Beweis der Wahrheit durch sie nicht geführt werden, weil beispielsweise Aussage gegen Aussage steht, macht sie sich wegen übler Nachrede strafbar und sieht sich zudem auch zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere auf Unterlassung oder auch auf Schadensersatz, ausgesetzt. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der- oder diejenige, über den/die entsprechende Behauptung aufgestellt wurde, aufgrund des Sachverhalts, der Gegenstand der Behauptung ist, rechtskräftig verurteilt worden ist. Bis dahin gilt es in der Kommunikation mithin besondere Vorsicht walten zu lassen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Verein und seine Verantwortlichen in einer solchen Situation, wie sie hier in Frage steht, nicht selten in einem Dilemma befinden und sich einer Vielzahl von insbesondere rechtlichen Fallstricken ausgesetzt sehen. Es wäre jedoch der falsche Weg, diesem Dilemma stets durch Schweigen zu entgehen, schützt Schweigen doch oft gerade die Falschen. Von Nöten ist vielmehr ein sehr sorgsames Agieren und im Zweifelsfall sollten kompetente Dritte hinzugezogen werden.